„Man hört nur Gutes über Mainz“

Zum Jahreswechsel zog es Laura Heintz vom südlichsten Eck Deutschlands nach Mainz. Mit dem Publizissimus sprach die wissenschaftliche Mitarbeiterin über persuasive Nutzerkommentare, Gesellschaftskritik in Netflix-Serien und Bahnreisen in Begleitung der Red Hot Chili Peppers.

Bild: Privat
Von Marc Ertl

Sie haben an der Universität Koblenz-Landau studiert und zuletzt an der Zeppelin Universität (ZU) am Bodensee gearbeitet. Nun hat es Sie nach Mainz verschlagen. Jetzt könnte man sagen, Hauptsache nicht weit von Rhein und Wein…

(Lacht) Ja, und trotzdem ist es eine große Umstellung. In Landau habe ich an einer kleinen Uni studiert. Und in Friedrichshafen an der ZU war die Atmosphäre zuletzt sehr familiär. Viele Studierende kannte ich vom Sehen, das ist in Mainz ein bisschen anders. Ich muss mich auch erst einmal an dieses riesige Institut gewöhnen – und an die vielen Kollegen aus vielen unterschiedlichen Unterfachbereichen. Das kenne ich von der ZU nicht. Dort hatte ich nur vier Kollegen im Bereich Kommunikationswissenschaft. Es ist daher jetzt schon schön, dass man mehr Möglichkeiten hat, sich auszutauschen.

Seit Januar 2020 sind Sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Computational Communication Science. Im gleichen Monat haben Sie bereits Seminare gegeben. Das Semester hatte da schon mehr als zwei Monate Fahrt aufgenommen. Wie kam es, dass Sie als „Nachzüglerin“ an die JGU gewechselt sind?

Das war letztendlich mehr eine organisatorische Sache. Ein paar Sachen hatte ich noch in Friedrichshafen zu regeln. Und der Zufall wollte es dann so, dass am IfP für das Seminar Mediengeschichte noch ein Slot frei war. Da dieses als Blockseminar angeboten wurde, hat das auch zeitlich noch gut innerhalb des Semesters funktioniert. Das war dann gleich meine erste Bestandsprobe an der JGU.

Mit dem Wechsel nach Mainz hat sich Ihr Arbeitsplatz geändert – und doch arbeiten Sie nach wie vor für den gleichen Professor: Michael Scharkow. Sind sie sozusagen im Doppelpack gewechselt? 

Ja, das kann man so sagen. Also ich fand es sehr gut, dass er mir direkt angeboten hatte, mit ihm zusammen zu wechseln. Auch wenn mir die Zeit an der ZU sehr gefallen hat und ich nicht zwingend weg wollte.  Allerdings profitiere ich wirklich sehr von Professor Scharkows Ratschlägen – gerade in Bezug auf meine Doktorarbeit, die er bereits seit der Zeit an der ZU betreut. Wir arbeiten einfach sehr gut zusammen, von daher war es dann eigentlich so gut wie keine Frage, mitzugehen. Man hört auch nur Gutes über das IfP und Mainz als Stadt. Insofern war das einfach eine super Möglichkeit für mich.

Die wenigsten Leute tragen in ihr erstes Freundebuch „Computational-Communication-Wissenschaftlerin“ als Berufswunsch ein. Was war denn früher Ihr Traumberuf?

Puh. Ganz ehrlich, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. In der Kindheit hatte ich noch gar keine Vorstellung davon, was ich später werden will. Im Studium bin ich dann erst in Richtung Unternehmenskommunikation gegangen. Aber das war mir ein wenig zu unwissenschaftlich und ich wollte zwischenzeitlich eher etwas in Richtung Marktforschung machen. Dann habe ich langfristig gemerkt, dass ich in Richtung Projektmitarbeit gehen will. Wissenschaftliches Arbeiten hat mir immer Spaß gemacht, und so hat sich die Forschung zum Berufsziel entwickelt. Der Bereich Wissenschaftskommunikation, in dem ich mich noch immer an einem Forschungsprojekt an der ZU beteilige, hat mich auch immer sehr interessiert – nicht zuletzt aufgrund der hohen Aktualität rund um Fake News, Klimawandelberichterstattung und jetzt Corona. Und an der Schnittstelle von Computational Methoden zu arbeiten, finde ich deswegen spannend, weil altbekannte Fragestellungen der Kommunikationswissenschaft auf neue Art und Weise verknüpft werden, wenn sehr große Datenmengen analysiert werden.

In Ihrer Masterarbeit haben Sie sich mit Nutzerkommentaren auf Nachrichtenwebsites befasst. Wer länger durch die Kommentarspalten scrollt, verliert schon mal den Glauben an die Menschheit. Oder wie erging es Ihnen da?

(Lacht) Ja, das stimmt – gerade in Bezug auf Hate Speech und Verschwörungstheorien. Und klar, wenn man sich damit inhaltsanalytisch auseinandersetzt, bekommt man teilweise schon echte Bedenken. Ich habe damals aber etwas anderes gemacht: Im Experiment wollte ich wissen, inwieweit Kommentare persuasiv wirken und sich zum Beispiel auch auf die Glaubwürdigkeit von Artikeln auswirken.

Neben Ihrer Tätigkeit am IfP arbeiten Sie weiter an der ZU am Forschungsprojekt „RETHINK“ mit. Das Projekt wird von der Europäischen Kommission gefördert. Was untersuchen Sie dabei?

Unser Ziel ist es herauszufinden, inwieweit sich im Zuge der Digitalisierung die Bedingungen für die Wissenschaftskommunikation verändern. Insbesondere geht es darum, wie hier Qualität sichergestellt werden kann. Und neben den Experten interessiert uns auch die Gruppe der Laienkommunikatoren, die im Internet ihre Meinung äußern. Letztendlich wollen wir mit unserem Projekt zum Qualitätsdiskurs beitragen.

Die Orte Mainz und Friedrichshafen trennt eine Autofahrt von vier Stunden. Wie schaffen Sie es, an beiden Orten gleichzeitig an Forschungsprojekten mitzuarbeiten?

Also die Mitarbeit am RETHINK-Projekt war schon immer stark online orientiert. Die Projektpartner sind über viele Länder verstreut. Wir halten uns über Meetings oder per Mail auf dem neuesten Stand.

Wenn Sie doch zwischen den Orten pendeln müssen, was darf es dann auf der langen Fahrt für eine Ablenkung sein? Hörbücher, Podcasts oder Musik? Vielleicht etwas zum lauten Mitsingen?

Also wenn, dann fahre ich die Strecke mit dem Zug – das dauert so um die fünf Stunden. Aber ich bin nicht so der Podcast-Hörer, ich mag es lieber in schriftlicher Form. Ich lese dann immer gerne auf diversen Nachrichtenseiten.

Und wohin geht die Reise musikalisch?

Die Richtung Rock und Alternative höre ich am liebsten. Ob ich dabei mitsingen sollte, ist aber die andere Frage. Am liebsten höre ich Songs von Radiohead, weil die Band sich auch sehr viel mit dem technologischen Wandel und der Menschheit beschäftigt. Und als Gute-Laune-Musik mag ich vor allem die Red Hot Chili Peppers.

Die Corona-Krise ist auch eine Hochphase der Serien. Können Sie uns Ihre Top-3 Quarantäne-Serien verraten?

Auf jeden Fall „The Society“. Einfach, weil es ein bisschen gesellschaftskritisch ist und es um dasselbe Motiv wie bei „Herr der Fliegen“ geht. Also darum, dass Jugendliche alleine klarkommen müssen.

Und meine zweite Empfehlung ist „Upload“. Die Serie spielt mit einer zweiten Realitätsebene und der ganz großen Frage: Was passiert,wenn Menschen sterben?

Das klingt schon sehr apokalyptisch. Darf es auch etwas leichtere Kost zum Abschalten sein?

Ja, „Shameless“ schau ich sehr gerne. Wenn man so will, kann man die Serie immer noch als gesellschaftskritisch bezeichnen. Aber es passieren auch einfach unfassbar viele verrückte Dinge. Also bestens geeignet nach einem langen Tag im Homeoffice.

Frau Heintz, vielen Dank für das Interview!


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert