(Film-)Liebe in Zeiten von Corona

Die Lockdowns und Einschränkungen durch die Corona-Pandemie haben nicht zuletzt die Unterhaltungsbranche hart getroffen. Wie sieht es also im Moment für die Kinos aus? Ist es, wie es in einer Überschrift der „Zeit“ zu diesem Thema heißt, „Eine Zeit zu sterben“?

Foto: Leo Haverkamp
Von Johanna Dahlem

Kino: Das kann für jeden etwas anderes bedeuten. Für die einen ist es ein aufregendes Blockbuster-Event mit Freunden, um den neuesten Superheldenstreifen in 3D auf der großen Leinwand zu sehen. Für andere ist es die Neugier, wenn man im kleinen Arthaus Kino um die Ecke in einem abgenutzten Sessel sitzt und gespannt auf den neuen feinen Indifilm wartet. Und für wieder andere ist es einfach ein Ort des Entspannens, an dem man für ein paar Stunden alles andere um sich herum getrost vergessen kann. 

Seit einigen Jahren zeichnet sich auch die Begeisterung der Filmfans fürs Heimkino ab. Zwar gehen tendenziell weniger Menschen ins Kino, vor allem kleinere Lichtspielhäuser sind von diesem Trend betroffen, trotzdem verzeichneten deutsche Kinos im Jahr 2019 immer noch 118,6 Millionen Kinobesucher. Das waren, nebenbei bemerkt, circa 13 Millionen mehr als im Vorjahr. Die Aussichten für 2020 standen also gut. Nicht nur der neue James Bond wurde fieberhaft erwartet. Aus dem Hause Disney sollten auch die Realverfilmung von „Mulan“ sowie ein weiterer Film des Marvel Cinematic Universe veröffentlicht werden – um an dieser Stelle nur ein paar der erwarteten Kassenschlager zu nennen. Doch die Corona-Pandemie traf auch die Kinobranche hart. Bereits Anfang November ließ sich sagen, dass 2020 75 % weniger Menschen ins Kino gingen als im Vorjahr. Durch den Lockdown light, der in Deutschland ab Anfang November 2020 galt, schlossen die Kinos schon zum zweiten Mal in diesem Jahr und konnten bisher nicht wieder öffnen (Stand: Januar 2021). Ähnlich ist es in anderen europäischen Ländern. In den USA blieben die meisten Kinos das ganze Jahr geschlossen. 

Noch dazu sind November und Dezember sonst sehr lukrative Monate für die Kinobranche. Mit der näher rückenden Oscar-Saison werden in diesem Zeitraum oft die Filmhighlights des Jahres veröffentlicht. Auch dieses, eigentlich umsatzstarke Quartal, geht den Kinobetreibern und Filmverleihern durch die Lappen.

Eine Multi-Milliarden-Branche, in der z. B. Studios wie Disney ihren persönlichen Goldtopf ohne Boden gefunden hatte, kommt zum Erliegen. Schwerer als diesen milliardenschweren Konzern trifft es aber die Kinobetreiber*innen. Im Gegensatz zu beispielsweise Theatern bekamen Kinos bisher (Stand November 2020) kaum staatliche Unterstützung. Dabei fallen durch Miete, Versicherung, Wartung und so weiter monatlich Kosten im sechsstelligen Bereich an. Ganz zu schweigen von verlorenen Werbeausgaben, die im Vorfeld für erwartete Filme geleistet wurden. Manchen Kinobetreiber*innen wurde schon im Sommer klar, dass ihre Häuser die Pandemie nicht überstehen würden. So schloss beispielsweise der UFA Palast in Stuttgart nach fast 25 Jahren seine Tore. Die betreibende Familie Riech nannte auf der Homepage des Kinos als Grund die Schließung wegen der Corona-Pandemie und, dass durch die auf unbestimmte Zeit verschobenen Kinostarts durch die Filmverleiher keine gesicherte Zukunft in Sicht sei. 

„Tenet“ – Last Man Standing

Die Filmverleiher entschieden sich im Frühjahr recht schnell, ihre Kinostarts zu verschieben, damit diese nicht zu Flops werden. Der einzige Blockbuster mit hohem Budget, der im letzten Jahr trotzdem den Sprung wagte, war „Tenet“, der neueste Film von Christopher Nolan. Unter anderem führte Nolan ebenfalls bei den Kinoerfolgen „Inception“ oder „Interstellar“ Regie. Man erhoffte sich also, dass es ihm selbst während der Pandemie gelingen würde, die Zuschauer anzulocken. Tatsächlich strömten allein in Deutschland 1,6 Millionen Menschen in die Kinos; doppelt so viele wie bei Nolans Film „Dunkirk“ (2017). Mit einem Einspielergebnis von ca. 300 Millionen US-Dollar wurde der Film trotzdem ein Verlustgeschäft für Warner Bros. Vor allem die Einbußen durch die geschlossenen Kinos in den USA spielten hierbei eine große Rolle. Allerdings hat „Tenet“ bewiesen, dass die Menschen auch während einer Ausnahmesituation gern ins Kino gehen und erwirtschaftete unter diesen Umständen immer noch eine beachtliche Summe.

Die meisten anderen Filmverleiher entschieden sich trotzdem für spätere Starttermine oder veröffentlichten ihre Filme direkt über (hauseigene) Streamingplattformen (zum Beispiel Disney Pixars „Soul“, seit Dezember 2020 auf Disney+). 

Doch genau diese Filme sind normalerweise entscheidend für die Kinobranche. Sie spielen die großen Summen ein, die es den Kinos erlauben liquide zu bleiben und Verluste durch kleinere Filme auszugleichen. Schön wäre es gewesen, wenn kleinere Filme durch das Ausbleiben der Blockbuster mehr Aufmerksamkeit hätten bekommen können. Durch die Schließungen im November blieb allerdings auch der Auftritt des Ersatzprogramms aus und es ist fraglich, ob es sich die Kinos in Zukunft noch leisten können, kleinere, weniger rentable Filme zu zeigen. „Wenn wir bis Weihnachten immer noch nicht spielen dürften, dann wäre es das größte Desaster. Wenn wir dann klagen, ist es Notwehr.“ sagte Hans-Joachim Flebbe im Interview mit der Zeit. Dabei hatten die Kinobetreiber*innen gut durchdachte Hygienekonzepte und Sitzplatzreduzierungen zum Schutze der Gäste ausgearbeitet. Daten wurden für die Nachverfolgung gesammelt, zwischen jedem/r Besucher*in waren mindestens drei Plätze frei und die Maske durfte nur beim Sitzen abgenommen werden. Es gab auch Studien, die sich mit der Ansteckungsgefahr im Kino auseinandersetzten. Demnach sei diese recht gering, da die Säle zumeist recht groß sind und die Menschen während des Films (in der Regel) nicht sprechen. Dadurch verteilen sich nur wenige Aerosole im Raum. So kommt zum Beispiel die Untersuchung des Hermann-Rietschel-Instituts in Bezug auf Aerosole im Kino/Theater zu dem Schluss, dass die Ansteckungsgefahr in Kinos sehr niedrig ist, vor allem auch niedriger als bei untersuchten Büroräumen, welche durchschnittlich über weniger gute Belüftungssysteme als Kinos verfügen.

Leere Schaukästen in den Mainzer Straßen – Credits: Leo Haverkamp

„Sieh mir in die Augen, Kleines“ – Aber bitte mit 1,50 m Abstand

Doch wie sah es im Pandemie-Jahr eigentlich an den Filmsets aus? Im Sommer nahmen viele Filmproduktionen die Arbeit wieder auf, unter Aufsicht und mit Hygienekonzepten, die es einzuhalten galt. Manche Set-Leiter*innen wurden kreativ und ließen sich Dinge einfallen, wie zum Beispiel ein Konzept mit bunten Armbändern, an denen man erkennen kann, wer zu wem Kontakt haben darf. Zu Mittag gegessen wird auch auf Abstand, oder mit einer Plexiglasscheibe zwischen den Essenden. Kleinere Teams, reduzierter Kontakt, Abstandsregeln, gestrichene Kuss-Szenen. Wir alle sollten, auch schon vor dem viral gegangen Wutanfall von Schauspieler Tom Cruise über zwei zu nah beieinanderstehende Filmcrew-Mitglieder, wissen, dass all diese Regeln absolut notwendig sind. Doch wie ist es, unter und mit diesen Bedingungen zu arbeiten? 

„Der Spaß ist immer noch der Gleiche.“

Filmkritiker Robert Hofmann konnte einem Großteil seiner Arbeit zwar auch schon vor der Pandemie von zu Hause aus nachgehen, aber was macht ein Filmkritiker, wenn kaum neue (Kino-)Filme erscheinen? „Da ich zu Hause produziere, gab es keine technischen Einschränkungen, aber natürlich gravierende inhaltlich Veränderungen. Für gewöhnlich ist mein Aufgabenfeld an Events, meinem YouTube-Kanal, Jurytätigkeiten usw. zu weit über 80 Prozent auf Kinofilme ausgelegt. In einer Zeit, in der Kinos aber kaum bis gar nicht geöffnet sind, musste ich sehr erfinderisch werden und kann nur hoffen, dass bald wieder bessere Zeiten kommen“, sagte Robert angesprochen auf die Einschränkungen, die sich durch die Pandemie für ihn ergaben. Auf seinem YouTube-Kanal bot er während des ersten Lockdowns beispielsweise Reviews zu Klassikern wie „2001: Odyssee im Weltraum“ an. Statt einem Blick nach vorn, wagte Robert Hofmann also einen Blick zurück, auf die Filmklassiker, die uns bereits zur Verfügung stehen und bescherte seinen Zuschauer*innen damit sicherlich den ein oder anderen Nostalgie-Moment. Events wie die „Social Movie Night“, bei denen Robert mit Arbeitskolleg*innen den Host gab und neue Filme mit den Schauspielern zusammen vorstellen durfte, standen im letzten Jahr hingegen leider nicht auf der Agenda. Wie man sieht, findet Roberts Arbeit nicht nur im Internet statt, und auch solche Veranstaltungen wurden durch Corona gekippt. 

Was allerdings trotz allem möglich war, war seine Arbeit für die Öffentlich-Rechtlichen beim ARD-Format „SERIöS – Das Serienquartett“. Auch hier mussten natürlich die Hygienemaßnahmen eingehalten werden. „Ich habe bei Produktionen erlebt, dass es ein eigenes Hygienepersonal vor Ort gibt, dass auch beim Erscheinen am Set Fieber bei jedem Produktionsbeteiligten misst, sowie persönliche Daten aufnimmt“, erzählt Robert. Weiterhin würden Sanitäranlagen und Gegenstände ebenfalls laufend gründlich desinfiziert werden und von vorneherein in kleineren Teams gearbeitet. 

Ähnliches berichtet Joshua, der ebenfalls letztes Jahr bei Drehs für die Öffentlich-Rechtlichen gearbeitet hat. „Bei großen Drehs beispielsweise (30-60 Leute), gab es auch immer einen Hygienebeauftragten. Der hat sich halt wirklich nur darum gekümmert, dass Abstände eingehalten werden, genug Desinfektionsmittel vorhanden sind und dass jeder eine Maske hat und sie auch trägt. Bei der Planung wird halt oft darauf geschaut, dass diese ganzen Regeln eingehalten werden können und auch die einzelnen Teams nicht zu groß sind.“ 

Keiner von beiden erweckt den Eindruck, dass die Vorsichtsmaßnahmen, die sich durch Corona ergeben haben, den Kern der Arbeit erschüttern konnten. „Eigentlich ist es fast wie immer. Ich würde jetzt nicht sagen, dass es unpersönlicher geworden ist. Man umarmt sich halt nicht mehr bei der Begrüßung oder Verabschiedung, was vorher tatsächlich sehr viel gemacht wurde. Der Spaß ist immer noch der gleiche eigentlich, das kommt immer darauf an mit wem man unterwegs ist“, erklärt Joshua. „Das Nervigste ist halt wirklich den ganzen Tag Maske tragen, da kann man schon mal Kopfschmerzen bekommen.“ 

Auch Robert findet, dass dem persönlichen Zusammenarbeiten beim Dreh kaum ein Abbruch getan wurde: „Dennoch wird versucht, das beste Maß an Erhaltung des Teamgeistes zu gewährleisten.“

Es lässt sich also sagen, dass die Corona-Pandemie die Filmbranche definitiv beeinflusst hat. Im großen wie im kleinen Rahmen. Umstellungen waren nötig, Betreiber erlitten Schicksalsschläge und die Frage „Wie geht es jetzt weiter?“ ist für die Filmbranche noch lange nicht beantwortet. Da bleibt nur zu hoffen, “that there’s just no time to die”. 


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