Gender-Debatte: Schon 1989 mehr als nur Sprachästethik

Gegner*innen der genderechten Sprache behaupten gerne, Gendern sei eine neumodische Erscheinung oder gar ein Trend. In Wirklichkeit kämpfen Frauen* schon viel zu lange um sprachliche Gleichberechtigung. So auch im Publizissimus der 1980er Jahre.

Von publizissimus

Damals antwortete eine Redakteurin ebenso bissig wie schlagfertig auf eine ebenfalls im Publizissimus erschienene Anti-Gender-Kolumne, dass wir finden, ihr Text gehört auch heute noch auf unsere Website. Ihre Argumente, die sie unter dem Pseudonym „Riki“ 1989 im Heft veröffentlichte, sind so relevant wie eh und je:

Lieber Ise!

Es war ja ganz nett gemeint, deine einseitige Ausführung über Wort- und SprachverpfuscherInnen (oder sollte ich das ‚I‘ in deinem Sinne klein schreiben?). Du gestehst ja selbst ein, daß die Sprache nicht der Aufhänger für die Probleme von Gleichberechtigung sein kann und darf; daß mann sich Gedanken machen sollte, inwiefern Frauen durch, oft unbewußte, männliche Dominanz in dieser unseren Gesellschaft untergebuttert werden, inwiefern sie Frauen überhaupt als gleichberechtigt ansehen. Dieser Gedanken haben sich schon andere (Männer) befleißigt, im gleichen Ton und mit gleichen Mitteln (vorneweg der von Dir genannte Wolf Schneider).

Vielleicht solltest Du (und mit Dir all die andren Sprachästheten) mal da weiterdenken, wo Du in deinem Artikel leider aufgehört hast. Der Gebrauch von durchweg männlichen Worten in Bezug auf gesellschaftliche Erscheinungen kam nicht deswegen zustande, weil sie eine Silbe kürzer sind als ihre weiblichen Pendants, sondern weil die Sprache in einer patriachalischen Gesellschaft entstanden ist und durch sie geprägt wurde. Solange die Vorherrschaft der Männer in der Politik und Gesellschaft unumstritten war, gab es mit der Sprache nur selten Probleme. Da aber nun diese Vorherrschaft, wenn schon nicht umgestoßen, so doch zumindest in Frage gestellt worden ist (und zwar von Femistinnen), besteht da eine Diskrepanz: zwischen einem bröckelnden Bewußtsein und einer traditionellen, gewachsenen Sprache. Es kann und darf nicht das Ziel von Feminismus sein, gewaltsam eine künstliche Sprache zu schaffen. Das ist nur ein Herumdoktern an Sympotomen; die Ursache selbst läßt sich durch ein Anhängen von -Innen bestimmt nicht bekämpfen.

Aber es ist immerhin ein Mittel verkrustete Strukturen aufzubrechen, und die Emanzipation der Frau so ständig als Problem oder Herausforderung in vollem Bewußtsein zu haben. Allein, daß du als Mann dich daran stößt, zeigt doch, daß Du Dir Gedanken darüber machst (im Gegensatz zu dem Erstsemester-Mann). Denn nur in theoretischen Höhen, jenseits aller Realität, über Gleichberechtigung zu philosphieren, bringt kein Bewußtsein. Jeder Mann ist wohl dafür, daß Frauen gleichberechtigt sein sollen – solange er nur sein Schäfchen im Trockenen hat. Warum sonst sitzen noch heute, 72 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts (worüber paradoxerweise Männer entschieden haben) fast ausschließlich Männer in wichtigen Positionen, abgesehen von wenigen Alibi-Frauen, die aber an Intelligenz und Ehrgeiz ihren Kollegen haushoch überlegen sein müssen? Warum wird die Quotierung als mißglückter Kunstgriff verbittert durch den Kakao gezogen? Obwohl doch soundso ihre Position nur dank ihrer Männlichkeit innehaben.

Und warum fühlst Du Dich als Mann in der Formulierung „StudentInnen“ nicht repräsentiert, wo Du gleichzeitig von mir als Frau erwartest, daß ich mich als „Student“ fühlen soll?

Seltsamerweise fanden sich in umgekehrten Fällen erstaunlich schnell männliche Formen: Kaum da Männer, arbeitsmarktbedingt, plötzlich in die Berufssparte „Putzfrau“ strömten, nannte man die Beschäftigten dort feinerweise ‚Raumpfleger/innen‘. Kein Mann arbeitet als ‚Putzfrau‘, noch nicht einmal als ‚Putzmann‘; Frau erntet aber nichts als eine spöttisch hochgezogene Augenbraue, wenn sie ihre ‚Betriebskauffrau‘ oder ihre ‚Studentin‘ fordert.

Ei der Daus!
Manchmal kommt es mir so vor, als sei es nichts als verletzte männliche Eitelkeit, die da zum Ausdruck kommt. Deshalb die selbe Aufforderung, die manncher mannhafte Sprachästhet an vertrocknete, humorlose Efrauzen richtet: ein bißchen mehr Selbstkritik, vor allem gegen die eigenen starren Bewußtseinsformen. Hier geht es einfach um mehr als bloß um Sprache.


Mit vielen Grüßen, riki


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