„ZDF Magazin Royale: Frischer Wind aus US-Richtung mit einer Brise Seriosität“

Jan Böhmermann hat ein neues Zuhause. Seit November läuft seine Late-Night-Show im ZDF-Hauptprogramm. Die Namensänderung ist dabei wenig kreativ: Aus „Neo” wurde „ZDF” im Sendungstitel. Und sonst so? Erfindet sich Böhmermann neu oder produziert er die gleiche Show, nur im Hochglanzstudio? Eine Sendungskritik.

Karikatur: Timur Cipa
Von Kim Brückmann

Bereits in der letzten Ausgabe des „Neo Magazin Royale“ kündigte Jan Böhmermann an: „Veränderung ist immer schwer. Aber wollen sie wirklich, dass ich von meiner Fernsehfigur aufgefressen werde? Was Neues muss her!“ Dennoch blieb lange unklar, wie ein neues Showkonzept aussehen könnte und welche Änderungen die Zuschauer*innen erwarten dürfen. Böhmermann-Fans hofften auf den alten Charme, Witz und Humor des Showmasters in einer neuen und bestimmt auch pompöseren Show. Denn sich selbst darstellen, das kann und will er. 

Veränderung ist immer schwer

Vor Ausstrahlung der Auftaktshow gerieten aber nur wenige Details an die Öffentlichkeit; Böhmermann, ungewohnt wortkarg, wollte sich nicht in die Karten schauen lassen. Nur so viel: Losgelöst von der Nachrichtenwoche sollten vermehrt zeitlose Themen den Weg in das neue Format finden: „Wir bereiten Zukunftsthemen so auf, dass sie Spaß machen und etwas bringen – ähnlich wie damals beim Umsatzsteuer-Karussell, wo wir systematischen Steuerbetrug so erklärt haben, wie es nur unsere Sendung kann.

Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa ergänzte er zudem, sein Anspruch an die neue Sendung sei „exakt der gleiche“ wie der, den Moderator Gerhard Löwenthal an das „ZDF-Magazin“ gehabt habe: „unerbittlich“ nach „schadhaften Stellen in unserer Demokratie fahnden“ und „furchtlos“ Stellung beziehen. Und ergänzte noch: „Nur dass wir ein bisschen lustiger sind.“ ZDF versprach den Zuschauern zudem „Unterhaltung, Überraschung und Erkenntnisgewinn“. „Journalistisch fundiert und in gewohnt spitzer Manier“ wollte Böhmermann seine Show präsentieren.

Hauptprogramm, aber nicht Mainstream

Rückblick: Bei ZDFneo war Böhmermann bereits seit 2013 auf Sendung. Nach 167 Ausgaben, zahlreichen Auszeichnungen und vermutlich noch mehr Skandalen endete im Dezember 2019 seine Late-Night-Show im Spartenkanal. Vor allem „Varoufake“ und das Erdogan-Schmähgedicht prägten die Show und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, doch das „Neo Magazin Royale“ prägte auch andersherum die Fernsehlandschaft. Moderator Böhmermann begrüßte hier prominente Gäst*innen, diskutierte mit ihnen über aktuelle Themen und thematisierte satirisch das Zeitgeschehen, Boulevard sowie Pop- und Netzkultur. Bei seiner Abschiedsshow im Dezember letzten Jahres ließ er sich dann für das von ihm Geleistete feiern und bedankte sich bei seinem Publikum dafür, dass es mit ihm „erwachsen und uncool“ geworden sei, was ja grundsätzlich zum Hauptprogramm zu passen scheint. Doch ob sich auch Böhmermann jetzt mehr dem Mainstream-Programm des ZDF anpassen wird und weniger Skandale fabriziert, lässt sich bezweifeln. Diese „Gefahr“, wenn man sie als eine solche bezeichnen möchte, scheint Böhmermann auch selbst bewusst zu sein und natürlich hat er sich darüber lustig gemacht. So endete die letzte Neo-Folge damit, dass Böhmermann in eine Limousine einsteigt, in der Jürgen Domian auf ihn wartet und Johannes B. Kerner der Chauffeur ist. Kerner erklärt: „Bald bist du einer von uns“, woraufhin Böhmermann fliehen möchte. Daran hindert ihn jedoch die „Kindersicherung“. Vor Ausstrahlung seiner neuen Show betonte er im Interview mit Goldene Kamera dieses Jahr nochmals: „Ich bin nicht festangestellt beim ZDF, sondern ein freier Mensch und Künstler.“ Ob er jedoch die gleiche Narrenfreiheit, die er bei ZDFneo hatte, auch im Hauptprogramm beibehält, ist mehr als fraglich. 

Quotenerfolg und Mediathek-first-Strategie 

Beim Publikum stößt das neue Konzept auf Gegenliebe – wenn man die Einschaltquote als Maßstab nimmt, dann war Böhmermanns Debut ein Erfolg. Zum Auftakt schalteten 2,83 Millionen Menschen ein, ein Marktanteil von 15,3 Prozent. Bei den 14 bis 49-Jährigen schalteten 1,31 Mio. zu, ein Marktanteil von stolzen 22,9 Prozent. Die zweite Folge hatte mit 2,47 Mio. Zuschauer*innen einen kleineren Marktanteil von 12,8 Prozent, was dennoch eine Steigerung zu den Quoten bei ZDFneo ist. Besonders ist zudem, dass die Sendung vor TV-Ausstrahlung bereits in der Mediathek veröffentlicht wird, da sie gerade von den jüngeren Zuschauer*innen viel „on demand“ angesehen wird. 

Doch auch wenn die Sendung beim Publikum gut anzukommen scheint, bleibt die Frage, wie viele seiner Ziele Böhmermann tatsächlich umsetzen konnte. Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen, ob Böhmermann seinen Zuschauern freitagsabends um 23 Uhr, direkt nach der „heute-show“, eine überarbeitete Sendung oder etwas ganz Neues präsentiert: Es ist wohl eine Mischung aus beidem. Denn er sorgt für frischen Wind im ZDF und tut das immer noch, wie schon die Auftaktsendung beweist. Dabei scheint er selbst der Gleiche zu sein, er bereitet weiterhin kritisch und voller Satire Themen auf, nur wirkt er ein wenig seriöser. Und seine Umgebung hat sich verändert: Er sitzt in einem großen, „gespenstisch leeren“ Studio, ein kleiner Tisch ist mittig platziert. Das gleiche Studio wie bei Neo, in Ehrenfeld, aber seine Stand Up-Zeit scheint vorbei zu sein. Zudem verzichtet er auf einen Sidekick, wie etwa Ralf Kabelka. Und auch Böhmermanns Sendezeit wurde im Vergleich zum „Neo Magazin Royale“ von 45 auf 30 Minuten reduziert, doch er selbst scheint darin einen Vorteil zu sehen: „Die Sendung wird etwas fokussierter, sie wird etwas kürzer. Wir sind thematisch etwas stärker aufgestellt.“, erklärte er in einem Interview.

US-Entertainer als Vorbild

Gleichgeblieben ist jedoch, dass ihn wieder das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld begleitet. Die Musiker*innen müssen aber aus dem Homeoffice per Video-Chat zugeschaltet werden und tragen deshalb den neuen, passenden Namen „Rundfunk-Distanzorchester“. Zudem wird auch schon durch das Szenenbild deutlich, dass Böhmermann sein Showkonzept amerikanisiert hat. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die US-Entertainer David Letterman, Conan O’Brien, Jimmy Fallon und Seth Meyers seine Idole sind, und deswegen ähnelt wohl auch sein neues Konzept den US-Größen. Passend dazu wagt sich der deutsche Showmaster auch direkt an große Themen, thematisiert jeweils eins pro Sendung. Verschwörungstheoretiker*innen, die NS-Vergangenheit von VW und das Online-Glücksspielgeschäft knöpfte er sich in den ersten Sendungen vor.  Auch wenn diese Themen und von ihm präsentierte Rechercheergebnisse nicht vollständig neu oder aktuell sind, bringt Böhmermann seine Botschaften immer unmissverständlich rüber. Denn er stellt weiterhin die richtigen Fragen und bereitet seine Antworten tiefgründig auf, ist sich zeitgleich aber auch für keinen noch so flachen Witz zu schade. Satire mit Mehrwert scheint sein Ziel zu sein, so bedient er sich auch weiterhin an zahlreichen, teilweise aus Neo-Zeiten bekannten Memes. Doch in der Auftaktsendung deutet er auch gleich an, mit dem flachen Gag-Feuerwerk brechen zu wollen. Als er das bekannte Wendler-Meme zum Song „Egal“ einspielte, unterbrach Böhmermann es abrupt und schob ein: „Es ist eben nicht egal“. Dieser Stilbruch mit Neo-Zeiten und alten Gepflogenheiten beweist: Böhmermanns Show hat sich gewandelt, er will mehr Tiefe beweisen und auch ein wenig seriöser wirken.

Die ersten Sendungen des „ZDF Magazin Royale“ sind Böhmermann definitiv gelungen, beinhalten den bekannten, gut recherchierten Qualitätsjournalismus, gute Überleitungen, aber auch neue Elemente. Böhmermann brilliert in seiner Sendung mit dem, was er am besten kann: Starke Themen kritisch und mit viel Wortwitz zu inszenieren. Er fühlt sich sichtlich wohl im Zentrum seiner neuen Welt. Die ZDF-Sendung dürfte dementsprechend alten Fans seit Neo-Zeiten gefallen, aber bestimmt auch neue Zuschauer*innen anlocken. 


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