Warum Onlineuni kein Studieren ist – ein kurzes und persönliches Fazit zum Semesterende

Nachdem die JGU im letzten Semester mal wieder mehr Online- als Präsenz-Uni war, ein kleines persönliches Fazit von unserer Autorin zum Semesterende.

Von Isabella Holtmann

Das letzte Semester war für mich leider anders: etwas zäh, trist und irgendwie ermüdend. Und da ich manchmal das Verlangen habe, meinem inneren Unbehagen Worte zu verleihen, ist dies hier ein Versuch. Die folgenden Gedanken kamen eines Nachts während der Prüfungsphase zu Papier.

Studieren zu Hause am Schreibtisch statt im Hörsaal (Bild: Isabella Holtmann)

Am Ende des dritten Semesters sollte man einiges gelernt haben – meint man. Man sollte in der anderen, neuen Stadt angekommen sein, die Uni und einige ihrer Gebäude kennen und sich mit Kommiliton*innen regelmäßig austauschen. Ich stellte und stelle mir noch immer studieren so vor: Unter Gleichgesinnten, irgendwie auch in einer Art Bubble, lernt, diskutiert und feiert man. Seminare sind lebhaft, dabei werden Konzepte hinterfragt, ein Mehrwert für die Studierenden geschaffen und ganz viel Wissen zum Angeben zusammengetragen.

Zumindest vor Freund*innen anderer Studienfächer und der eigenen Familie. Wie es halt so ist. Wenn man ganz viel scheinbar Schlaues und Neues lernt, hat man sicherlich ein großes Mitteilungsbedürfnis. 

Viel Laptop, wenig Campus 

Viel „sollte“, „denke“ und „scheine“ in diesem ersten Abschnitt. Denn tatsächlich sieht die Realität so ganz anders aus. Zumindest meiner Meinung nach. 

Die Uni habe ich kaum gesehen, eine flotte Campustour in meinem ersten Semester, bei der ich alle Gebäude hauptsächlich von außen bestaunen konnte. Ansonsten war ich ein paar Mal in der Bib, vorausgesetzt, ich ergatterte einen Platz beim Online-Registrieren einige Tage vorher. Dann saß ich einmal auf dem Gang und hab versucht zu lernen, klappte semi gut, weil laut und Ablenkung gegeben, man kennt’s. Viele negative Worte über meine Uni, dabei hatte ich auch einige Seminare in Präsenz. Wie oft kann ich an meinen beiden Händen abzählen, schließlich sollte man bei den leichtesten Erkältungssymptomen bitte daheim bleiben und der Herbst ist nun mal die Jahreszeit für Schniefen und Niesen. Ein großes Highlight war meine erste Klausur, welche vor ungefähr einem Jahr auf dem Campus stattfand. Ich war nervöser als bei meinen Abiturprüfungen. 

Mit Kommiliton*innen habe ich mich aber ausgetauscht, meistens jedoch über die Downsides der Online-Corona-Lehre. Wenige inhaltliche Gespräche, denn: Ich habe es satt. Meine Aufmerksamkeitsspanne hat sich extrem zurückentwickelt. In der Schule waren die mündlichen Leistungen meine Stärke, schließlich gehört Reden zu meinen Hobbys, würde ich sagen. All meine Freund*innen unterschreiben das sicherlich so. Warum schweife ich dann, wenn ich vor meinem Computer sitze, ständig ab? Warum google ich parallel die unnötigsten Dinge, finde das Feilen meiner Fingernägel deutlich spannender als die Folien, dabei sehe ich sie jeden Tag und ah da liegt Staub, ich putze mal eben mein Zimmer. Meine kurze Online-Recherche ergibt: Täglicher Medienkonsum erhöht das Risiko von Konzentrationsstörungen erheblich.

SMILE

Wenige Klicks später, bin ich auf ein, wie ich finde, spannendes Prinzip gestoßen. Also kleines good-to-know am Rande, übrigens perfekt für alle die diesen Text zum Prokrastinieren nutzen und nebenbei noch was lernen wollen: Das SMILE-Prinzip erklärt, wie Aufmerksamkeit funktioniert.

S wie Selektiv bedeutet, dass unsere Aufmerksamkeit sehr selektiv ist und wir schnell von anderen Geräuschen oder Lichtsignalen abgelenkt werden. Ich erkenne mich da direkt, sobald ich höre, wie die Tür einer meiner Mitbewohnerinnen aufgeht, denke ich daran, dass ich viel lieber mit ihnen einen Kaffee in der Küche trinken würde und schwups habe ich nicht mehr mitbekommen, was die Stimmen aus meinem Laptop gesagt haben.

M steht für Monotasking und erklärt einem, dass dieses Multitasking-Gedöns gar nicht so wirklich funktioniert, da unser Gehirn Informationen sowieso nur nacheinander verarbeiten kann. Da gehen Inhalte also schnell verloren, die wir später eventuell wiederholen müssen und wir haben überhaupt keine Zeit gespart, wie wir ja oft denken, wenn wir fünf Dinge gleichzeitig tun.

I ist etwas egoistisch, denn wir sind sehr ichbezogen. Unser Gehirn denkt wohl am liebsten an uns selbst und unterscheidet Dinge, die von Belang für uns sind, von anderen, die es eben nicht sind. Das kann ich leider so nur bestätigen: In nicht prüfungsrelevanten Vorlesungen denke ich mal wieder an viel zu viel anderes. Zudem steht das I dafür, dass wir viel interpretieren. So versucht unser Gehirn Widersprüche direkt mit sich selbst auszumachen, statt bis zum Ende des Vortrags zu warten und nachzufragen – was auch noch einen Plus-Punkt bei der Beteiligung mitbringen würde.

L vermittelt uns, dass unsere Aufmerksamkeit sehr limitiert ist und wir uns eher nur „Sinneinheiten“ merken. Daher kommt auch, dass Eselsbrücken so effektiv sind. Und schließlich steht das

E für unsere Emotionen, die, wie wir alle sicherlich wissen, bei ziemlich all unserem Handeln eine wichtige Rolle spielen

Zwischen Frust und Faulheit

Das Ganze habe ich jetzt aufgedröselt, um zu verstehen, warum ich nach drei Semestern das Studieren als Last empfinde. Man könnte nun meinen, ich freute mich darauf, dass die Universitäten versuchen, das kommende Semester wieder präsenter zu gestalten. Aber, jetzt bin ich wirklich sehr ehrlich, ich bin faul geworden. Wie gerne schiebe ich Vorlesungen auf den Tag, an dem meine Freund*innen keine Zeit haben  oder das Wetter schlecht ist. Wie oft höre ich die Videos auf 1,5-facher Geschwindigkeit, weil ich möglichst viel von meiner To-Do-Liste abhaken möchte. Und wie gerne esse, feile ich meine Nägel oder tue sonstige Dinge, die im Vorlesungssaal irgendwie frech wären (denke ich zumindest, war ja selbst noch nie da, korrigiert mich gerne, falls das vielleicht doch normal ist). Dass ich früh aufstehen und stundenlanges Maskentragen auch nicht so cool finde, sei mal eben nur am Rande erwähnt. 

Ich weiß noch nicht einmal, auf wen ich hier gerade sauer sein soll. Ich bin mir der verzwickten Lage bewusst, verstehe, dass die Unileitung auch nur umsetzt, was das Land vorschreibt und kann mir vorstellen, dass meine Dozent*innen genauso unter all dem leiden und trotzdem entweder alleine vor laufender Kamera oder vor schwarzen Kacheln referieren. Schließlich könnte ich irgendwie auch ein kleines bisschen sauer auf mich sein, auf meine eigene Unkonzentriertheit und die immer schlimmer werdende Faulheit. 

Und jetzt?

Und wo stehe ich jetzt? Erstmal am Ende des dritten Semesters und kurz vor dem vierten meiner Unilaufbahn. Doch vielmehr stehe ich vor zwei Fragen: 1. Wie wird das nächste Semester? und 2. Was wünsche ich mir eigentlich? Auf die erste Frage werde ich selbst keine Antwort finden und auch sonst wird mir diese Frage niemand mit hundertprozentiger Sicherheit beantworten können. Ich wünsche mir, dass die Antwort „besser“ lautet. Was genau das bedeutet, keine Ahnung. Es bringt mich aber zur zweiten Frage, denn was ich mir wünsche, ist eine Motivationsspritze, einen Booster, der mich dazu treibt, meine ganze Aufmerksamkeit dem Studieren zu widmen. Eine Superpowerimpfung, die Corona direkt vertreibt, die sich aber auch jeder spritzen lassen möchte. Oder einfach mehr Nachsehen mit mir, mehr Geduld und schöneres Wetter, weil endlich der Frühling naht. 

Ich wünsche allen Studierenden und allen anderen, die vor ihren Bildschirmen sitzen, weiterhin viel Kraft, Hoffnung und Aufmerksamkeit.


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